Kölner Stadtanzeiger: „Zuhause Weltweit – der Kampf gegen den Kulturshock“

Categories: PressespiegelAuthor:

Kölner Stadtanzeiger – von Ina Wachendorf. Die Idee mit der Gründung „Zuhause Weltweit“ entstand eigentlich ganz spontan – auf einem der obligatorischen Nachbereitungsseminare des Internationalen Bundes (IB). Das war im September vergangenen Jahres. Zwölf Monate Freiwilligendienst im Ausland lagen zu diesem Zeitpunkt hinter den sechs jungen Rückkehrern aus Deutschland. Zwölf lange Monate fernab der Heimat, verstreut in den verschiedensten Ecken dieser Erde.

Janik Kühn (21) beispielsweise hatte es nach Fortaleza, einer zweieinhalbmillionen Einwohnerstadt im Nordosten Brasiliens, verschlagen. Dort kam er in einem der so genannten „Favelas“, zu deutsch Armenviertel, unter. Tagtäglich betreute der Kölner auf diesem Fleckchen Südamerikas dutzende Kinder bei der Hausaufgaben- und Freizeitgestaltung. Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm im Nachhinein die regelmäßigen „Tütenball“- Spiele. Geld für den Luxus eines richtigen, ledernen Fußballs hat hier niemand. Gerade einmal geteerte Straßen und Häuser aus Stein erwecken den vagen Anschein einer westlichen Zivilisation, so wie wir sie heutzutage in unseren Breitengeraden wieder finden. Die Bilder des „anderen“ brasilianischen Alltags hat Janik ebenfalls gesehen: „Achtquadradtmetergroße Lehmhütten, in denen bis zu zehn Menschen zugleich in bitterster Armut hausen“.

2007 Vereinsgründung 2Jährlich entscheiden sich in etwa 4000 junge Menschen (Tendenz steigend), wie im Fall des Psychologiestudenten aus Köln, für einen Ausstieg auf Zeit. Anstelle von Zivil- oder Wehrdienst leisten sie gemeinnützige Arbeit außerhalb der deutschen Lande. Organisiert wird das Ganze von bundesweit verschiedenen politisch- konfessionellen, oder freien Trägern. Generell sind jene nicht nur zuständig für die Wohnungssuche vor Ort, die Versicherung sowie natürlich die Qualitätsüberprüfung der einzelnen Projekte. Vielmehr fallen ebenfalls konkrete pädagogische Konfliktberatung sowie die gesetzlich vorgeschriebenen Vor- und Nachbereitungsseminare in ihren Kompetenzbereich. Das Einleben und Zurechtfinden in einem völlig fremden Land, insbesondere in den ärmsten Gegenden der Welt, ist mitunter nicht einfach: „Ich wollte dahin, wo´s weh tut“, erinnert sich Janik. „Einfach mal erfahren, wie das ist, nicht in einer Wohlstandsgesellschaft aufzuwachsen“. Umso schwieriger gestaltet sich dann wiederum, zurück in Deutschland, die Reintegration in den dortigen Alltag. „Reversed Culture Shock“ nennt sich dieses Phänomen in der Fachsprache.

Exakt an dieser Stelle setzt die engagierte Arbeit der jungen Rückkehrer von „Zuhause Weltweit“ an. Denn sie wissen um die Bedeutung kompetenter Ansprechpartner, die diese anfängliche Orientierungslosigkeit aufgrund eigener Erfahrungen nachvollziehen können. Mit Ehemaligen des Internationalen Freiwilligen Dienstes (IFD), so der Einundzwanzigjährige, begäben sich Gespräche dieser Art auf eine ganz andere Ebene als mit den Eltern oder Freunden. Des Weiteren ist es Ziel des am 18. Mai 2007 ins Leben gerufenen Ehemaligennetzwerkes mit Hauptsitz in Köln, allen Absolventen eine Plattform zu bieten, innerhalb dieses Themenkomplexes weiterhin „am Ball zu bleiben“ sowie vor allem, den gewachsenen, intensiven Kontakt untereinander nicht zu verlieren.

2007 Vereinsgründung 3Über die gängigen Vorbereitungsseminare hinaus möchten die Jungs und Mädels von „Zuhause Weltweit“ ferner die künftigen Freiwilligen noch gezielter auf das ihnen bevorstehende Jahr vorbereiten. Im Falle einer familiären Konfliktsituation vor Ort gehe es beispielsweise nicht darum, Grundsätze über bestimmte Verhaltensnormen zu vermitteln. Vielmehr, stellt Janik klar, „ist es wichtig, Fingerspitzengefühl zu wecken, um später selbstständig entscheiden zu können, was angebracht ist oder eben nicht.“ Vor diesem Hintergrund spielt ein fundiertes Wissen über die in Frage kommenden Aufenthaltsorte eine zentrale Rolle. Kenne ich meine persönlichen Grenzen? Passt die künftige „Wahlheimat“ tatsächlich zu mir? Mit unbequemen Auseinandersetzungen dieser Art sieht man sich bisweilen durchaus konfrontiert, sollte das Auslandsjahr wirklich gelingen.

Zurzeit besteht der Hauptschwerpunkt der jungen Organisatoren sicherlich zunächst erst einmal in der Erarbeitung einer Kommunikationsstruktur, denn sie alle sind in den unterschiedlichsten Städten Deutschlands beheimatet – von Bielefeld über Dresden bis nach Nürnberg und München. Für die Zukunft allerdings stehen bereits Beratungsveranstaltungen an Schulen im Programm, um weitere potentielle Mutige zu finden, die sich den Herausforderungen des Freiwilligendienstes im Ausland  stellen möchten. Anhand sowohl sozialpolitisch motivierter Projekte – hier etwa die geplante außergewöhnliche Postkartenserie „Dein Zuhause?!“ (eine Sammlung diverser Fotografien der unterschiedlichsten Behausungen, welche die Ehemaligen während ihrer Auslandsaufenthalte kennengelernt haben) – als auch mithilfe von Informationsbroschüren werben sie für „ihre Sache“. Da sich „Zuhause Weltweit“ bislang lediglich über die monatlichen Mitgliedsbeiträge finanziert, dürften neue motivierte Mitstreiter beziehungsweise Spenden jeglicher Art gewiss willkommen sein.

Wissensdrang noch nicht gestillt? Ab Mitte Juli erscheint die Internetplattform www.zuhause-weltweit.de im Netz.

 

Hinterlasse einen Kommentar

Du willst eine Antwort hinterlassen?
Nur los!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert